Anerkennung und Wertschätzung neu gedacht: Wie sie Motivation und Teamerfolg steigern – und wie nicht
Oft werden die Begriffe Anerkennung und Wertschätzung im Arbeitskontext synonym verwendet, doch es gibt wesentliche Unterschiede. Es kann hilfreich sein, diese Unterschiede zu verstehen, wenn es darum geht, Kollegen zu unterstützen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Häufig bemängeln Menschen, nicht ausreichend Wertschätzung und Anerkennung zu bekommen. Dann kann es Sinn machen sich zu vergegenwärtigen, welchen Sinn Anerkennung und Wertschätzung haben und dass sie eben keinen Selbstzweck haben.
Anerkennung ist in der Regel ergebnisbezogen. Sie ist eine Reaktion auf spezifische Ergebnisse oder Verhaltensweisen und oft an konkrete Erfolge oder Beiträge gebunden. Die Wirkung der Anerkennung liegt in der Bestätigung der Selbstwirksamkeit. Anerkennung zeigt dem Empfänger, dass er oder sie einen wichtigen Beitrag geleistet hat, der für andere nützlich ist und in Zukunft wieder gewünscht ist. Damit befriedigt Anerkennung sowohl das Bedürfnis nach Kompetenzerleben als auch nach Zugehörigkeit und Sinn. Durch Anerkennung weiß man, dass das eigene Handeln für andere im positiven Sinne relevant ist.
Wertschätzung hingegen ist umfassender und bezieht sich auf den Wert einer Person als Ganzes. Sie kann auch die Anerkennung einzelner Ergebnisse beinhalten und umfasst darüber hinaus die positive Bewertung der individuellen Eigenschaften eines Menschen. Dabei kann Wertschätzung die Nennung spezifischer Eigenschaften oder Verhaltensweisen beinhalten, muss es aber nicht. Wertschätzung fördert damit ein Gefühl der Zugehörigkeit und trägt zur emotionalen Bindung in Gruppen bei. Sie gibt ein Gefühl der Sicherheit. Das Gefühl der Zugehörigkeit hilft Menschen, sich mit Gruppenzielen zu identifizieren und sich gegenseitig zu helfen. Es sorgt für Kooperation, aber auch für Offenheit und Transparenz.
Viele Menschen nutzen diese Mechanismen automatisch, unbewusst und instinktiv. Manchmal kommt das Zeigen von Anerkennung und Wertschätzung aber auch zu kurz, mit häufig katastrophalen Folgen für die Effektivität und Effizienz von Gruppen. Paradoxerweise reagieren Betroffene dann genau mit dem gegenteiligen Verhalten und Entziehen weiter Anerkennung und Wertschätzung in der Hoffnung, damit das gewünschte Verhalten beim Gegenüber zu erzeugen. In der Regel führt dies aber zu einer Eskalation und Verschlimmerung der Situation.
Es macht also stets Sinn, sich die Frage zu stellen,
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- wie zeige ich den Menschen um mich herum Wertschätzung und Anerkennung?
- mache ich das in ausreichendem Maße?
- welche weiteren Möglichkeiten könnte es geben, Anerkennung und Wertschätzung zu zeigen?
Es geht dabei nicht darum, monetäre oder andere materielle Belohnungen zu verteilen oder Fehlverhalten zu ignorieren oder Schlechtleistung zu feiern. Es geht darum, informative Botschaften zu übermitteln, die zeigen „Das ist ein gutes und nützliches Ergebnis/Verhalten“ und „Du gehörst dazu, wirst gebraucht und als Mensch geschätzt“.
Es gibt große individuelle Unterschiede, wie viel Anerkennung und Wertschätzung ein Mensch benötigt. Daher gibt es kein objektiv richtiges Maß. Zu viel Anerkennung und Wertschätzung können auch unglaubwürdig wirken oder eventuell sogar Zynismus erzeugen. Daher ist es durchaus anspruchsvoll, das richtige Maß zu finden.
Zudem ist es wichtig, aufrichtig zu sein und die ausgesprochene Anerkennung und Wertschätzung ernst zu meinen. Unaufrichtige Versuche durch Anerkennung und Wertschätzung zu manipulieren, werden von Menschen in der Regel als solche erkannt und untergraben damit das Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Autonomie.
Um festzustellen, ob jemand ausreichend Anerkennung und Wertschätzung erhält, hilft es meist diese Frage nicht direkt zu stellen, sondern eher auf die Wahrnehmung abzustellen, die mit Wertschätzung und Anerkennung erzeugt (bzw. verhindert) werden:
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- Hast du das Gefühl einen wichtigen Beitrag zu leisten?
- Hast du das Gefühl, deine Fähigkeiten nutzenstiftend einsetzen zu können?
- Fühlst du dich der Gruppe zugehörig oder ausgegrenzt?
- Verstehst du dich mit deinen Kollegen?
- Fühlst du dich manipuliert?
Beim Lesen und Reflektieren der Fragen wird klar, dass jemand der diese Fragen alle in einem positiven Sinne beantwortet, vermutlich nicht das Gefühl haben wird zu wenig Wertschätzung und Anerkennung zu erhalten. Wenn man die Themen Anerkennung und Wertschätzung auf dieser Ebene betrachtet, fällt es auch deutlich leichter, geeignete Maßnahmen zu finden, mit denen Anerkennung und Wertschätzung kommuniziert werden können.
Deutlich wird dabei auch, dass zu wenig Anerkennung und Wertschätzung manchmal nicht das Problem, sondern das Symptom sind. Wenn jemand (zu) wenig Anerkennung und Wertschätzung bekommt, kann es auch einfach daran liegen, dass sie oder er (zu) wenige nützliche Beiträge liefert und nicht in die Gruppe / ins Team passt. Dann ist das ein wichtiges Signal und eine wichtige Erkenntnis. Die Lösung besteht dann nicht darin, einfach mehr Anerkennung und Wertschätzung auszudrücken, sondern aufgaben- und zusammenarbeitsorientierte Maßnahmen zu ergreifen, die erst die Grundlage für Anerkennung und Wertschätzung schaffen. Im äußersten Fall kann sogar das Ausscheiden aus dem Team für alle die beste Lösung sein. Denn wenn eine Person nicht zu den Anforderungen der Rolle oder des Teams passt, wird sie dort auch nicht ihr volles Potenzial entfalten können und woanders glücklicher werden. Das soll keinesfalls heißen, dass ausbleibende Anerkennung und Wertschätzung geeignete Mittel wären, um auf Minderleistung hinzuweisen. Es soll auch nicht bedeuten, dass irgendjemand die Schuld an der Situation trägt. Typischerweise sind solche Situationen der Verkettung vieler unglücklicher Umstände geschuldet.
Es gibt vermutlich wenige Themen im Berufsumfeld, die relevanter sind als Wertschätzung und Anerkennung. Wir alle haben positive und negative Erfahrungen mit ihnen. Und wir alle haben ihre Potenziale schon erfolgreich genutzt und sie aber auch schon ungenutzt liegengelassen.
Aus meiner Sicht kann es hilfreich sein, sich konzeptionell mit dem Thema auseinanderzusetzen, um das Wissen über die Wirkungszusammenhänge pragmatisch zu nutzen. Ich hoffe dieser Text gibt nützliche Anregungen und Unterstützung. Schreibt mir gern eure Gedanken und Ideen.