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Fehlerkultur – Ein Spiel von Emotionen und Wahrscheinlichkeiten

Nach Erfolgen und Fehlschlägen erleben wir die größten Emotionen. Entweder sind wir stolz und fühlen uns fähig, sprudeln vor Energie oder wir empfinden Scham oder Schuld und uns selbst als unfähig.

Faszinierend ist, dass wir diese Emotionen auch dann erleben, wenn wir in der echten Welt oder in einem Spiel Ergebnisse erzielen, die aus Entscheidungen unter Unsicherheit oder unter Risiko resultieren.

Glück als Erfolgsfaktor

Entscheidungen unter Unsicherheit beschreiben Situationen, in denen wir die Wahrscheinlichkeitsverteilung über die möglicherweise eintretenden Ereignisse kennen. Z.B. wenn wir Roulette spielen, wissen wir, dass wir, wenn wir auf Rot setzen, eine Chance von 48,65 % haben, damit zu gewinnen. Wenn dann tatsächlich Rot kommt, freuen wir uns über unsere Fähigkeiten am Roulette-Tisch. Wenn Schwarz oder die Null kommen, empfinden wir sofort starke negative Emotionen bezüglich der eigenen Fähigkeiten und darüber, wie wir von den Mitspielern wahrgenommen werden. Was denken die jetzt von uns? Dabei hat Gewinnen oder Verlieren hier überhaupt nichts mit uns selbst zu tun. Das Einzige, was wir beeinflussen können, ist zu entscheiden, ob wir spielen oder nicht. Darüber hinaus muss das Spiel nicht einmal Konsequenzen haben, die über das Spiel hinausgehen. Auch ohne Wetteinsatz o.ä. sind wir bei Glückspielen emotional involviert. Wir wollen gewinnen und versuchen Misserfolge zu vermeiden. Wir überlegen und zögern, wo es eigentlich nichts zu überlegen gibt. Wir wissen, es ist völlig egal, ob wir auf Rot oder Schwarz setzen und dennoch denken wir intensiv darüber nach und glauben die Gewinnchance beeinflussen zu können.

Im echten Leben treffen wir meist Entscheidungen unter Risiko. Das bedeutet, wir kennen die genaue Wahrscheinlichkeitsverteilung der möglichen Ereignisse nicht einmal, können aber für bestimmte Ereignisse Eintrittswahrscheinlichkeiten annehmen. Möglicherweise können wir durch unser Verhalten jedoch die Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse gezielt beeinflussen.

Das Glück erzwingen

Im Recruitment können wir Auswahlverfahren nutzen, die uns helfen, den passenden Kandidaten zu identifizieren. Und je besser unser Auswahlverfahren, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, einen ungeeigneten Kandidaten einzustellen. Das Risiko wird nie ganz verschwinden. Das bedeutet, auch bei sehr guten Auswahlverfahren werde ich immer auch Fehlentscheidungen treffen.

Eine weitere Reduktion von Fehlentscheidungen ist häufig mit Kosten verbunden, in diesem Fall zum Beispiel führt die rigidere Prüfung der Kandidaten regelmäßig dazu, dass ich auch mehr falsch negative Entscheidungen treffe und damit meinen Kandidatenpool unnötig verenge oder meine Kandidaten sich selbst aussortieren und den Prozess verlassen. Ich muss mich entscheiden, was mir wichtiger ist, die Stelle schnell zu besetzen oder das Risiko einer Fehlbesetzung zu reduzieren.

Es kommt relativ selten vor, dass Neueinstellungen nicht in die Rolle passen. Deutlich häufiger passen sie. Anders ist es, z.B. im Vertrieb. Dort kommt es deutlich häufiger vor, dass ich bei einem Kunden keinen Erfolg habe, als dass ich einen Auftrag bekomme. Sich diese Wahrscheinlichkeiten bewusst zu machen, ist ein wichtiger Schritt, wenn ich meine Ziele und Erwartungen definieren möchte und um festzustellen, wann es an der Zeit ist, mich und meine Prozesse zu hinterfragen.

Außerdem sollte diese Wahrscheinlichkeitsverteilung unsere Aufmerksamkeit lenken. In der Personalauswahl ist die Einstellung eines unpassenden Kandidaten eher die Ausnahme. Wenn dieser Fall einige Male aufgetreten sein sollte, ist das eine wichtige Information und ich sollte meine Prozesse überprüfen. Wenn ich jedoch bisher noch keine ungeeigneten Kandidaten eingestellt habe, kann das am guten Prozess liegen oder daran, dass ich einfach nur Glück hatte. Je kleiner der Stichprobenumfang, also je weniger Menschen ich bisher eingestellt habe, desto größer die Rolle des Glücks (Zufalls).

Erfolgswahrscheinlichkeiten richtig einschätzen

Im Vertrieb ist es andersherum: Die Absage ist die Regel. Aus einer oder mehreren Absagen kann ich noch keine Informationen ziehen, erst wenn ich ein paar Dutzend erfolglose Versuche unternommen habe, sollte ich den Prozess hinterfragen. Ein erfolgreicher Verkauf hingegen ist ein klares Signal dafür, dass ein Prozess funktioniert. Das bedeutet natürlich nicht, dass es keinen besseren Prozess gibt. Es kann sich also trotzdem lohnen, an Verbesserungen zu arbeiten.

Die Art und Weise, wie wir mit unseren Emotionen als Reaktion auf Erfolge und Fehlschläge umgehen, beeinflusst maßgeblich unsere Verhaltensweisen. Indem wir uns bewusstmachen, dass nicht jedes Ergebnis – im Guten wie im Schlechten – direkt unsere Fähigkeiten widerspiegelt und dass sowohl Glück als auch Zufall eine Rolle spielen, können wir eine ausgewogenere Perspektive entwickeln. Dies hilft uns, sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich bessere Entscheidungen zu treffen und unsere Prozesse kontinuierlich zu hinterfragen und zu verbessern. Wir sollten die Angst vor Misserfolgen in Zufallsprozessen überwinden und gleichzeitig unsere tatsächlichen Gestaltungsmöglichkeiten erkennen und nutzen. Das passiert uns aber nicht automatisch. Unsere intuitiven und emotionalen Reaktionen lenken uns in eine andere Richtung. Nur wenn wir diese automatischen Reaktionen erkennen, können wir die hinderlichen Muster überwinden.

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