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Situativer Führungsstil – die wesentliche Aspekte schnell erklärt

Situative Führung - Idee, Kritik und Empfehlung

Der Situative Führungsstil entstand vor etwa 50 Jahren und war damals eine echte Innovation. Führungskräfte sollten ihr Führungsverhalten an den Reifegrad der Mitarbeiter anpassen. Seitdem wurde die Theorie in vielen Studien untersucht und in Führungskräftetrainings unterrichtet.

Bisher ist noch nicht gelungen, die Theorie empirisch zu bestätigen. Auch inhaltlich entspricht sie heute nicht mehr dem Stand der Wissenschaft.

Unsere Empfehlungen gehen teilweise sogar genau entgegen den Empfehlungen, die sich aus der Theorie der Situativen Führung ergeben:

  • Wenn Mitarbeiter wenig motiviert sind, ist es häufig hilfreich zu versuchen ihre Perspektive zu verstehen und angemessene Wahlmöglichkeiten zu schaffen. Die Situative Führung empfiehlt das nur für „motivierte und engagierte“ Mitarbeiter.
  • Alle Mitarbeiter brauchen klare Zielvorgaben und Rückmeldungen zur Zielerreichung. Die Theorie der Situativen Führung empfiehlt das nur für einen niedrigen Reifegrad
  • Aufgaben werden immer delegiert und die Verantwortung bleibt immer bei der Führungskraft. Je nach Fähigkeiten der Mitarbeiter variiert der Detailgrad der Anweisung und die Engmaschigkeit der Kontrolle
  • Alle Mitarbeiter profitieren davon, wenn sie ihre Perspektive teilen können und Wahlmöglichkeiten haben

Auch wenn der Ansatz der Situativen Führung als grundsätzlich positiv zu sehen ist, bestehen Risiken, dass eine Anwendung der Theorie zu hinderlichen Führungsverhaltensweisen einlädt. Zudem könnte das Konzept von Reifegraden dazu führen, das sich Mitarbeiter durch entsprechendes Führungsverhalten stigmatisiert fühlen und versuchen sich gegen solches Führungsverhalten zu wehren, um ihren Selbstwert zu erhalten.

Situativer Führungsstil

Die Theorie der Situativen Führung

„Situatives Führen“ bezeichnet ein Theorie über die Auswirkungen von bestimmten Führungsverhaltensweisen, die Paul Hersey und Ken Blanchard im Jahr 1977 veröffentlichten. Sie unterschieden zwischen einem eher personenbezogenen und einem aufgabenbezogenen Führungsstil. Zusätzlich betrachteten Sie den „Reifegrad“ der geführten Mitarbeiter.

  • Im Falle der Personen- oder Beziehungsorientierung legt die Führungskraft großen Wert auf gute persönliche Kontakte, bietet Unterstützung an, lobt und ermuntert die Mitarbeiter.
  • Aufgaben- oder Sachbezogenheit beschreibt, dass die Führungskraft es vorzieht, detaillierte Anweisung zu geben. Sie formuliert klare Erwartungen und Vorgaben im Hinblick darauf, was bis wann wie erledigt werden muss.

Bei beiden Orientierungen handelt es sich jeweils um ein Kontinuum. Es gibt kein Entweder-oder, sondern ein „eher mehr“ oder ein „eher weniger“.

Der Reifegrad von Mitarbeitern hat ebenfalls zwei Dimensionen: Den sachlichen Reifegrad und den psychologischen Reifegrad.

  • Der sachliche Reifegrad beschreibt, inwiefern Mitarbeiter in der Lage sind, die Verantwortung für ihre Aufgaben zu übernehmen und sich notweniges Fachwissen anzueignen.
  • Der psychologische Reifegrad reflektiert, wie motiviert und engagiert die Mitarbeiter sind.

Der Reifegrad ist für eine bestimmte Person nicht allgemeingültig sondern bezieht sich immer auf eine bestimmte Aufgaben. Das bedeutet, dass ein Mitarbeiter bei der Aufgabe A (zum Beispiel „Verkaufen an Bestandkunden“) eine hohe Reife demonstrieren kann, während er bei einer anderen Aufgabe B („Verkauf an Neukunden“) eine wesentlich niedrigere Reife aufweisen kann.

Den Führungserfolg verstehen Hersey und Blanchard als „Zielerreichung“ und „Einflussnahme“.  Wenn der gewählte Führungsstil zum Reifegrad der geführten Mitarbeiter passt, erledigen die Mitarbeiter die übertragenen Aufgaben mit einer hohen Qualität.

Die vier Verhaltensweisen des situativen Führens

Hersey und Blanchard leiten aus diesen Dimensionen und möglichen Konstellationen vier wesentliche Verhaltensweisen als Empfehlungen für Führungskräfte ab (siehe Abbildung oben).

  1. Bei einer niedrigen Reife der Mitarbeiter wird eine hohe Aufgabenorientierung bei gleichzeitig niedriger Beziehungsorientierung empfohlen. Mit anderen Worten: Die Führungskraft sollte „anweisen„.
  2. Hat sich der Mitarbeiter weiter entwickelt (geringe bis mäßige Reife), empfehlen die Autoren einen stark mitarbeiterbezogenen und aufgabenbezogenen Führungsstil. Es kommt darauf an, die Mitarbeiter zu „überzeugen„.
  3. Bei mäßiger bis hoher Reife der Mitarbeiter sollte die Führungskraft stark mitarbeiterbezogen und gleichzeitig weniger aufgabenbezogen führen. Sie sollte die Mitarbeiter an der Zielsetzung oder Entscheidungsfindungen „beteiligen“.
  4. Sehr „reife“ Mitarbeiter benötigen weder eine besondere Zuwendung durch die Führungskraft, noch brauchen sie detaillierte Vorgaben bezüglich ihrer Aufgaben oder ihres Verhaltens. In diesem Falle sollten Führungskräfte Verantwortung „delegieren„.

Hypothese der Autoren: Erfolgreich werden diejenigen Führungskräfte sein, die für jede Situation den passenden Führungsstil anwenden.

Empirische Validität der Theorie zur Situativen Führung

Die Theorie der Situativen Führung gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Führungstheorien. Sie ist eingängig, leicht verständlich, man mag sich selbst leicht einordnen und kann die eigene Erfahrungen bestätigen. Daher ist sie auch Bestandteil vieler Führungskräftetrainings und wurde in vielen wissenschaftlichen Studien untersucht.

Bisher konnten jedoch keine eindeutigen Belege für die Effektivität dieses Führungsansatzes gefunden werden. Das liegt zum einen an grundsätzlichen Schwierigkeiten, die verschiedenen Aspekte zu operationalisieren (messbar zu machen) und zum anderen an der Unvollständigkeit des Modells. Es ist kaum möglich, den Reifegrad von Mitarbeitern oder das Verhalten von Führungskräften objektiv zu bestimmen. Auch die Messung von Erfolg ist mit großen konzeptionelle Schwierigkeiten verbunden.

Beurteilung der Situativen Führung aus heutiger Perspektive

Die Theorie der Situativen Führung wurde vor fast 50 Jahren entwickelt, als es üblich war, Theorien deduktiv abzuleiten und nicht aus Beobachtungen heraus zu bilden.

Die grundsätzliche Idee, dass ein anpassungsfähiges Führungsverhalten zielführend ist, wird vermutlich niemand bestreiten.

Aus verschiedenen Studien zur Wirkung von Führungsverhalten aber auch zu der Wirksamkeit von Führungskräftetrainings wissen wir, dass es sinnvoll ist, sowohl förderliche als auch hinderliche Verhaltensweisen in einer Führungstheorie zu berücksichtigen. Das erleichtert zum einen die Messung und zum anderen die Selbstreflektion der Führungskräfte.

Aus rein praktischer Sicht, ergeben sich für uns die folgenden Kritikpunkte:

  • Ein intuitives Verständnis von Situativer Führung könnte Führungskräfte dazu verleiten, Verhaltensweisen zu zeigen, die nachweislich nicht förderlich sind.
  • Das Konzepts des Reifegrads birgt die Gefahr der Stigmatisierung. Jede Klarstellung oder Konkretisierung könnten von Mitarbeitern als Herabwürdigung empfunden werden, wenn sie sich selbst einen hohen Reifegrad zuordnen.
  • Auf Basis der heute anerkannten Theorien, ist es auch nicht ersichtlich, warum Mitarbeiter mit einem niedrigen Reifegrad von einer weniger personenbezogenen Führung profitieren würden. Situation 1
  • Die Theorie sieht das Engagement und die Motivation als Bestandteil des Reifegrads auf den die Führungskraft reagiert. Die Theorie berücksichtigt nicht, wie das Verhalten der Führungskraft auf die Motivation und das Engagement des Mitarbeiters wirkt.

Insgesamt sehen wir den wertvollen Beitrag, den die Theorie der Situativen Führung von fast 50 Jahren geleistet hat. Gleichzeitig wissen wir heute viel mehr über die Entstehung von Motivation, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit als zu der Zeit, in der die Theorie formuliert wurde. Folglich gibt es aktuellere Ansätze, um sich ein effektives Führungsverhalten anzueignen.

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